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Touristik am Scheideweg – zwischen Radikalität und Reibach
Vier Wochen ist es jetzt her. Vom Appell, dass sich die Touristik neu erfinden muss, bis zu ersten Erkenntnissen der Branchenvorderen, dass ein kritisches Überdenken der tradierten Wertschöpfungsketten vielleicht doch gar keine so schlechte Idee ist.
Was bleibt
Ein Großteil der Reisebüros, wie auch Tour Operator und Carrier, glauben leider nach wie vor, dass eine gesunde Portion Opportunismus das Problem schon richten wird. Der Ruf nach Staatshilfen wird zum Mantra, denn „so haben wir das Pferd doch immer geritten.“
Nach einer Vielzahl von Branchendiskussionen und Kommentaren, sowie direkten Feedbacks wird dem Autor die Don Quichote Rolle allerdings überdrüssig. Selbst Unternehmer und persönlich haftender Geschäftsführer eines Krisengeschüttelten Beratungsunternehmens, wird sein Kampf gegen Windmühlen oftmals jäh beendet mit dem Argument, als Berater hätte man gut reden. Deshalb kürzen wir die ewig währenden Diskussionen über die Zukunft am Scheideweg doch ab und schreiten mit einem Kaufangebot für Reisebüros zur Tat. Zusammen mit Investoren und Innovatoren haben wir uns entschlossen, den Beweis anzutreten, dass wir mit einer radikal neu formierten Wertschöpfungskette das Geschäft mit der Touristik erfolgreich neu definieren können. Und damit die Welt für unsere nachfolgenden Generationen nachhaltig besser machen.
Wer also ernsthaft sein Unternehmen verkaufen will, meldet sich bitte unter tobiasvoigt@newcannibals.com. Allerdings muss jedem Unternehmer bewusst sein, dass auch unser ökonomischer Ansatz eine belastbare, betriebswirtschaftliche Basis bedingt. Deshalb werden wir jedes Kaufangebot sorgsam prüfen und keine Pferde kaufen, die längst tot sind.
Was kommt
„Alles steht auf dem Prüfstand“, so titelte letzte Woche das angesehene Branchenmagazin FVW einen bemerkenswerten Artikel mit 10 Thesen, wie sich das Gefüge von Reisebüros und Veranstaltern strukturell verändern könnte. Da wurde mit Tinte niedergeschrieben, dass der Markt deutlich schrumpfen und der Online-Anteil im Pauschalreisesegment deutlich wachsen wird. Der Digitalisierungs-Tsunami der Corona-Krise wird de facto Spuren hinterlassen und zum Umdenken in Richtung Omnichannel zwingen.
Dazu wird das Abnabeln der Reisebüros von den Veranstaltern gefordert, die Tragfähigkeit der bestehenden Provisionsmodelle in Frage gestellt und Service-Entgelte endlich als Einstieg in eine neue Zeit proklamiert. Sogar recht radikal gedachte Rochaden, wie die Rückkehr zur individuellen Reiseproduktion durch die Reisebüros, stellen die Rolle der Veranstalter zur Disposition. Chapeau bis hier hin – was noch fehlt ist der Drang zur Tat. Machen ist eben wie Wollen, nur krasser!
Aber auch hier gibt es bereits unternehmerische Leuchttürme, die nicht ungelobt bleiben sollen. So gibt es erste Lösungen, wie zukünftig die Finanzströme kurzfristiger gestaltet werden können, ohne die nötige Liquidität zu gefährden. Denkbare und vor allem machbare Payment-Kombinationen kommen derzeit vom Fintech-Unternehmen heidelpay. Ein Impuls, der jetzt, zur richtigen Zeit am richtigen Ort, auf Resonanz stößt.
Und last but not least proklamieren die ersten Anbieter eine Zukunft mit deutlich besseren Margen und einer neuen Wertschätzung für das Luxusgut Reise. Wohl wissend, dass hinter dieser Tür ins Morgen ebenso der ruinöse Gegentrend in der Überkapazitäten-Vermarktung über den Preis lauert. Es bleibt also abzuwarten, wer sich für Radikalität – und damit für gemeinschaftlich nachhaltiges Umdenken im Sinne einer sozial verantwortlichen Wertschöpfungskette in der Touristik – entscheidet. Oder wessen Hemd letztendlich doch näher ist als die Hose, und sich für den schnellen Reibach mit einer Entertainment-ausgehungerten und opportunistischen Gesellschaft entscheidet.
Was geht
Wagen wir also doch noch eine Prognose zur neu gedachten Touristik. Die sieht aber bei weitem nicht so rosig aus, wie von vielen nach wie vor erhofft. Denn auch die Binsenweisheit stimmt leider: „Hoffnung ist der schlechteste Berater des Unternehmers“.
Gehen werden einige. Einige kleine, ein paar große und ja, die meisten selbsternannten Unternehmer aus der Mitte, die wie ein Frosch im heiß werdenden Topf langsam und in Ruhe auf das eigene Verkochen warten. Übrig bleiben die, die als Unternehmer resiliente Geschäfte aufgebaut haben und in der Lage sind, neu und angepasst zu denken, sowie entschieden zu handeln. Bleibt also die Frage: Sind Sie auf dem Sprung, lieber Leser, oder wird Ihnen irgendwie schon warm?
Mit touristischen Grüßen von einem, der den Sprung wagt!